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Gendern in Arztpraxen?

Einen kleinen Schockmoment erlebte vor Kurzem Zahnarzt Dr. Schröder aus Hamburg: Als er seine Patientin nach einer Kontrolluntersuchung fragte, ob sie noch irgendetwas störe, antwortete diese: „Bei den Zähnen nicht… aber wieso wollen Sie eigentlich keine Frauen in Ihrer Praxis haben?“

Verdutzt fragte er also nach, was sie damit meinte – und bekam als Antwort: „Naja, auf Ihrer Website reden Sie nur von ‚Patienten’. Und im Jahr 2021 kann man schon mal richtig gendern!“ 

„Gendern – das war für mich eher ein leidiges Thema. Denn auf dieses Gendersternchen-Zeugs hatte ich einfach keine Lust“, gibt Dr. Vogelmann zu, „Aber ich habe mir dann schon überlegt, etwas zu ändern – schließlich haben wir ja durchaus viele Kolleginnen und Patientinnen bei uns.“ 

Wichtiger sei es ihm aber, für alle da zu sein – und dies auch so zu kommunizieren: „Als moderne Praxis wollen wir ja auch in der Kommunikation auf der Höhe der Zeit bleiben. Und da gehört es glaube ich mittlerweile einfach dazu, sich mit dem Thema zu befassen.“

Wie Zahnarztpraxen gendern können

So wie er denken viele Zahnärzte: Gendern gehört nicht unbedingt zu ihren Kernkompetenzen, wird aber zunehmend wichtiger. Doch wie geht man als Zahnarztpraxis damit um? Wie gendert man richtig? Wir haben uns einmal verschiedenste Websites angeschaut und die gängigsten Varianten für Sie zusammengetragen:

Da gibt es einerseits die „Feminisierung“. Das bedeutet nicht, dass nur noch die weibliche Form verwendet wird, sondern vielmehr, dass beide Formen auftreten: „Liebe Patientinnen, liebe Patienten“ ist wohl das geläufigste Beispiel dafür. 

Besonders elegant: Anstatt über die Patienten und Patientinnen zu sprechen, kann man einfach mit ihnen sprechen. Das heißt also, Sie wählen die direkte Ansprache. Dr. Kurosch Schafei, Zahnarzt aus Frankfurt, hat sich auf seiner Website für diese Form entschieden: „Wir wollten einfach eine Variante wählen, mit der sich alle angesprochen fühlen, die aber auch nicht zu kompliziert wird, wie etwa mit Gendersternchen.“

Was ist das Gendersternchen?

Bei diesem sogenannten Gendersternchen wird zwischen männlicher und weiblicher Form ein Sternchen gesetzt: „Liebe Patient*innen“. Doch auch Unterstrich, Doppelpunkt oder die sogenannte Binnenmajuskel sind möglich: Patient_in, Sprechstundenhelfer:in, ÄrztIn. Der Doppelpunkt schließt sogar all diejenigen mit ein, die sich gar keinem Geschlecht zugehörig fühlen. 

Gleichzeitig sind Gendersternchen und Doppelpunkte aber auch ein Thema, das viele Gemüter sehr erhitzt – denn während die einen die Gleichberechtigung in der Sprache feiern, ächzen die anderen über diese „sprachlichen Stolperfallen“. 

Diese Erfahrung musste auch eine unserer Kunden aus Ulm machen. Auf ihrer Website ging sie den Schritt und schrieb „Patient:innen“. Doch entgegen ihrer Erwartung erntete sie dafür kein Lob, sondern vielmehr Kritik ihrer Patienten und Patientinnen. Also entschied sich die Ärztin für die Variante, in der beide Geschlechter extra angesprochen werden – also „Patienten und Patientinnen“. Ein durchaus gelungener Kompromiss zwischen der Notwendigkeit zu gendern und einem angenehm zu lesender Text. 

So sieht das auch Dr. Michael S. aus Düsseldorf: „Natürlich legen wir Wert auf eine gleichberechtigte Ansprache – gerade an den wichtigen Stellen unserer Website. Aber es darf eben nicht zu holperig sein.“  Seine Lösung ist besonders geschickt: Die Besucher und Besucherinnen werden auf seiner Seite gleich zu Beginn mit beiden Formen angesprochen. In den Unterseiten wurde dann zwecks leichteren Leseflusses nur noch die männliche Form beibehalten. „Damit sind eigentlich alle unsere Patientinnen und Patienten sehr zufrieden.“

Muss ich dann überhaupt noch „gendern“?

Natürlich ist diese Frage berechtigt – und für viele Zahnärzte ist Gendern etwas Unnötiges, mit dem sie sich einfach nicht identifizieren können. Denn da sie auf ihrer Website ohnehin schon Bilder zeigen, auf denen Patientinnen und Patienten, sowie Ärzte und Ärztinnen zu sehen sind, sehen sie keinen Bedarf, etwas an der Ansprache zu ändern.

So stellt zum Beispiel Dr. Novizky aus Itzehoe auf seiner Website auch ohne gegenderte Ansprache und alleine durch die entsprechenden Bilder ganz klar, dass sowohl Männer als auch Frauen bei ihm willkommen sind – als Kollegen und Patienten gleichermaßen. Diese Form ist nach wie vor die gängigste Variante und auch vollkommen legitim.

Allerdings kann man dagegen auch argumentieren, dass Gendern eben kein Selbstzweck ist. Denn was die Patientin von Dr. Vogelmann beklagte, war kein grammatikalischer Fehler oder eine schlechte Wortwahl, sondern die Gleichberechtigung in der Sprache – beziehungsweise, dass diese nicht vorhanden war. 

Denn wenn nur die männlichen Formen benutzt werden, ergibt sich folgendes Problem: Es erzeugt bei uns die falschen Bilder im Kopf – was sich dementsprechend auch auf unsere Vorstellungen und Handlungen auswirkt. 

So haben mehrere psycholinguistische Studien und Experimente gezeigt, dass man eben nicht auch unmittelbar an Patientinnen denkt, wenn man den Satz „Wir sind für unsere Patienten da“ liest – auch wenn dies so vom Absender beabsichtigt war. 

Und auch auf die Berufswahl von Kindern hat Gendern eine Auswirkung: Gibt man beispielsweise Mädchen nur „Zahnarzt“ als mögliche Berufsrichtung vor, entscheiden sie sich eher dagegen – andersherum wählen sie den Beruf eher, wenn sie „Zahnärztin“ hören.

Im schlimmsten Fall kann das Weglassen der weiblichen Form dazu führen, dass sich Frauen nicht direkt angesprochen fühlen. Konkret kann das bedeuten: Suchen Sie für Ihre Praxis in einer Stellenausschreibung nach „Ärzten“, entgehen Ihnen eventuell geeignete Kandidatinnen. 

Welche Vorteile gendern bringt

Das ist natürlich ein extremes Beispiel – es zeigt jedoch, welche Folgen die Verwendung oder Nichtverwendung von weiblichen Formen haben kann. Sicherlich läuft eine Praxis keine Gefahr, keine geeigneten Zahnärzte mehr zu finden, wenn sie nur von „Zahnärzten“ spricht. Sie werden sicherlich auch keinen existenziellen Mangel an Patientinnen befürchten müssen, wenn Sie diese nicht explizit ansprechen. 

Allerdings können Sie durch eine gleichberechtigte Sprachbenutzung besonderes Fingerspitzengefühl demonstrieren und zeigen, dass Sie auf die Bedürfnisse ihrer Patienten und Patientinnen gleichermaßen eingehen. Gleichzeitig beweisen Sie, dass Sie als moderne Praxis auf der Höhe der Zeit sind. Und wer weiß – vielleicht möchten Sie ja auch gerne mehr Arzthelfer und mehr Ärztinnen in ihrer Praxis haben? Es liegt also zum größten Teil in Ihrem eigenen Ermessen, ob Sie Ihre Texte anpassen wollen oder nicht.

Ein frischer Wind für die Praxis

Dr. Schröder jedenfalls möchte seine Praxis-Website so schnell wie möglich umstellen. Zwar erwartet er nicht, dass sich dadurch der Anteil an Patientinnen erhöht – der ist ohnehin schon ausgewogen. Allerdings kann er sich durchaus vorstellen, in Zukunft auch eine männliche Sprechstundenhilfe einzustellen. 

„Das wäre ein toller neuer Schritt – und würde frischen Wind in die Praxis bringen.“ Doch auch andere Gründe schüren seine Vorfreude auf die neue Website: „Ich bin schon auf den nächsten Besuch dieser Patientin gespannt, was sie zu unserer Website meint!“, lacht der Zahnarzt.